Ein Dorf im Grünen. Die Bewohner: Menschen mit psychischer Erkrankung. Für manche ein kurzer Aufenthalt, ein Durchatmen, ein wieder-zu-sich-kommen, für andere eng vertraut, eine Heimat, eine Familie.
Harald "Ralle" saß 12 Jahre im Knast, manchmal mit Sicherheitsverwahrung – schwerer Bankraub. Sollte noch für ein halbes Jahr in die Psychiatrie und dann raus in die Freiheit. "Das ist mal gründlich in die Hose gegangen", lacht er wie nur er lachen kann. Er, den alle unter dem Namen "Jesus" kennen. In Thailand kam die Erleuchtung. Von da an wusste er, dass er die Wiedergeburt Jesus ist. "Ich bin hier, weil ich größenwahnsinnig bin", lacht er wieder, "Ich weiß, es klingt bekloppt, aber ich sage nichts als die Wahrheit."
Neben dem immerlauten, Raum beanspruchenden Ralle sitzen die ruhige Petra, die sich fragt, ob der Einkauf beim Discounter diesmal vergiftet war oder nicht. Nadja, die mit sich selbst in ein tiefes Gespräch vertieft ist und Hank, der Geschichten von seiner Forscherfamilie erzählt, bei denen man sich nie so wirklich sicher ist, ob es sich um ein ausgetüfteltes Fantasiegebilde oder die Wahrheit handelt. Vielleicht ist das hier aber auch gar nicht so wichtig.
Sie sitzen im Atelier des "Künstlerhauses", das fester Bestandteil des psychiatrischen Klinikums ist. Sie spielen Schach, malen, rauchen, trinken Kaffee.
Petra fragt "Wir sind doch alle erwachsen, das stimmt doch, Domenic, das stimmt doch, oder?" Ich beschwichtige "Ja, sicher doch." und frage mich gleichzeitig, was das überhaupt heißen soll, dieses "erwachsen sein". Hier, auf dem Berg, der Thomas Manns Zauberberg alle Ehre macht, scheint die Welt der Menschen "da unten" unendlich fern. "Die sind doch alle die bekloppten da unten", wirft Paul ein, "die mit ihrem Bürojob für nix und wieder nix. Wir sind doch die, die es begriffen haben und einfach nicht ins Raster passen."
Ich setze an, um Paul zuzustimmen, als Ralle mich unterbricht und erzählt, dass er Station 5 in ein Chinesisches Restaurant umbauen wird, wenn er auf einem Krokodil reitend die Klinik übernimmt.
„Ich beschäftige mich mit dem Wahnsinn, um mir meinen
eigenen Wahnsinn vom Leib zu halten.“
„Ich bin wie in einen Kreislauf rein gekommen bis zu dem Moment, als ich explodiert bin.
Das war dann praktisch wieder ein Neustart. Ich habe mir plötzlich wieder erlaubt, Zeit zu nehmen. Vorher bin ich so durch gerannt. Man konnte sich kaum an einem Satz aufhalten. Das hat so viel ausgemacht, dass ich mir hier im Laufe der drei Wochen erlaubt habe, die Zeit für einen Punkt zu nehmen.
Das war eigentlich eine schöne Erfahrung für mich. Ich habe in diese Welt geschnuppert, die mir sonst verschlossen war. Gerade welche Schicksale hinter den einzelnen Krankheiten stecken. Ich hatte früher nie mit solchen Berufen zu tun. Eine Krankenschwester, eine Pflegeschwester oder ein Arzt, was man da eigentlich alles an Schicksalen verkraften muss...“
– Anna L. –
"Ich habe in den ganzen Jahren darüber nachgedacht... Weltverbessern und was man nicht alles verändern könnte und was ich im Knast mitgemacht habe. Was könnte ich verändern? Was könnte ich besser machen? Und all diese Sachen, die ich gemacht habe, die ich mir ausgedacht habe, war alles für die Katz’. Ich musste lernen, wer ich bin. Ich habe immer im Bett gelegen und gesagt: 'Lieber Gott, sag doch ein mal Schosch zu mir.' Ich wollte endlich wieder die Stimme hören, die ich damals in Thailand gehört habe. Das erzähle ich dir aber ein anderes Mal.
Wie es dazu kam, dass ich weiß, dass ich die Wiedergeburt Jesu bin."
– Stefan S. –
„Ich hab überhaupt gar keine Krankheit. Also, ich hab dem Arzt gesagt: 'Wenn Sie Euphorie nicht von einer Manie unterscheiden können, dann haben Sie Ihren Beruf verfehlt!' Ich war noch nie depressiv, wirklich nicht. Manisch in diesem Sinne auch nicht. Okay, wenn ich Pläne habe, also okay, ich kann ja mal sagen, ich will Bürgermeisterin von Freiburg werden. Aber das ist ja nicht manisch. Das kann ja vielleicht mal eine spinnerte Idee sein, aber ich... also gut ich gehe jetzt in die Politik. Vielleicht werde ich das ja irgendwann mal, wenn ich richtig alt bin. (lacht)
Nein, wahrscheinlich nicht, natürlich nicht. Aber trotzdem: man kann ja...
Ich war da letztens auf einer großen Frauenveranstaltung, wo Unternehmerinnen waren und die haben gesagt:
'Träumen Sie größer, träumen Sie nicht so klein.' "
– Esther H. –
scroll down
Ein Dorf im Grünen. Die Bewohner: Menschen mit psychischer Erkrankung. Für manche ein kurzer Aufenthalt, ein Durchatmen, ein wieder-zu-sich-kommen, für andere eng vertraut, eine Heimat, eine Familie.
Harald "Ralle" saß 12 Jahre im Knast, manchmal mit Sicherheitsverwahrung – schwerer Bankraub. Sollte noch für ein halbes Jahr in die Psychiatrie und dann raus in die Freiheit. "Das ist mal gründlich in die Hose gegangen", lacht er wie nur er lachen kann. Er, den alle unter dem Namen "Jesus" kennen. In Thailand kam die Erleuchtung. Von da an wusste er, dass er die Wiedergeburt Jesus ist. "Ich bin hier, weil ich größenwahnsinnig bin", lacht er wieder, "Ich weiß, es klingt bekloppt, aber ich sage nichts als die Wahrheit."
Neben dem immerlauten, Raum beanspruchenden Ralle sitzen die ruhige Petra, die sich fragt, ob der Einkauf beim Discounter diesmal vergiftet war oder nicht. Nadja, die mit sich selbst in ein tiefes Gespräch vertieft ist und Hank, der Geschichten von seiner Forscherfamilie erzählt, bei denen man sich nie so wirklich sicher ist, ob es sich um ein ausgetüfteltes Fantasiegebilde oder die Wahrheit handelt. Vielleicht ist das hier aber auch gar nicht so wichtig.
Sie sitzen im Atelier des "Künstlerhauses", das fester Bestandteil des psychiatrischen Klinikums ist. Sie spielen Schach, malen, rauchen, trinken Kaffee.
Petra fragt "Wir sind doch alle erwachsen, das stimmt doch, Domenic, das stimmt doch, oder?" Ich beschwichtige "Ja, sicher doch." und frage mich gleichzeitig, was das überhaupt heißen soll, dieses "erwachsen sein". Hier, auf dem Berg, der Thomas Manns Zauberberg alle Ehre macht, scheint die Welt der Menschen "da unten" unendlich fern. "Die sind doch alle die bekloppten da unten", wirft Paul ein, "die mit ihrem Bürojob für nix und wieder nix. Wir sind doch die, die es begriffen haben und einfach nicht ins Raster passen."
Ich setze an, um Paul zuzustimmen, als Ralle mich unterbricht und erzählt, dass er Station 5 in ein Chinesisches Restaurant umbauen wird, wenn er auf einem Krokodil reitend die Klinik übernimmt.
Bachelor Project, 2017/2018.